Lesezeit: 7 Minuten

„Dark Tourism“ – warum wir ungewöhnliche Orte besuchen

„Na, wo geht eure nächste Reise hin? Welches außergewöhnliche Ziel habt ihr dieses Mal?“ – wie oft haben wir das schon gehört. Mittlerweile sind wir wohl schon bekannt dafür, dass wir eher ungewöhnliche Reiseziele haben, oder sagen wir eher, keine klassischen Reiseziele. Nicht selten passiert es, dass nach unserer Antwort darauf Freunde und Familie zuerst mal Google Maps öffnen, um zu sehen, wo sich dieses Land eigentlich befindet. Warum wir meist außergewöhnliche Orte besuchen und was Reisen für uns eigentlich bedeutet, erfährst du in diesem Beitrag…

Bagan, Myanmar (2015)

Zuerst gehört einmal definiert, was das denn eigentlich bedeutet: „ungewöhnliches Reiseziel“. Während für uns ein Urlaub in Usbekistan, oder eine Reise in den Togo, völlig selbstverständlich auf unserer „Bucketlist“ steht, zählt es für die meisten Freunde und Bekannte von uns als super außergewöhnlich, verrückt, und… ungewöhnlich. 

Warum ist das so?

Wir denken, dass das unter anderem viel mit medialer Berichterstattung zu tun hat, denn entweder hört man von diesen Ländern garnichts in den Medien, oder man hört hauptsächlich Negatives, was nicht gerade dazu beiträgt, über einen Urlaub dort nach zu denken. Iran ist hier ein gutes Beispiel dafür. Beschäftigt man sich dann jedoch mit diesen Ländern, dann wird einem schnell klar, dass auch sie viel Touristisches zu bieten haben. Nur weil wir in den Medien kürzlich über heftige Proteste in Nicaragua gehört haben, bedeutet dies nicht, dass man Nicaragua nicht bereisen kann. Denn über das Ende der Proteste, und den „Neustart des Tourismus“ danach, hörten wir in den Medien dann eher selten etwas…

Streetfood in Leon, Nicaragua (2019)
Friedhof in Samarkand, Usbekistan (2020)
„Black Magic“ Opferschrein in Lomé, Togo (2019)

Andererseits hat unsere „ungewöhnliche“ Reise-Auswahl auch damit zu tun, was Reisen für uns bedeutet. Denn es heißt für uns nicht nur Sehenswürdigkeiten abklappern oder am Sandstrand entspannen. Reisen bedeutet auch Abenteuer erleben, über sich hinaus wachsen, Dinge erleben, die uns selbstbewusster machen. Eine tolle Reise muss nicht immer nur aus wundervollen Bauwerken bestehen, oder besonderen Museen. Es sind vor allem auch einzigartige Erlebnisse, Gespräche mit Einheimischen, gutes/nicht-so-gutes (für uns) fremdes Essen, oder ewig lange Busfahrten, die man nicht vergisst.

ein etwas anderes Streetfood in Bangkok (2015)
Kamel-Gulasch in Esfahan, Iran (2017)
lokales Transportmittel in Yangon, Myanmar (2015)
unterwegs mit dem Bus im Kosovo (2016)

Auch Vorurteile sind in unserer Gesellschaft ein großes Problem. Nicht nur ganz allgemein betrachtet, sondern auch was das Reisen betrifft. Nur weil wir aus dem Iran lediglich „Atomstreit“ oder „Kopftuchpflicht“ kennen und in der Zeitung davon lesen, wissen wir nichts darüber, was die Bevölkerung eigentlich davon hält. Streng muslimisch. Alleine als ausländische Frau viel zu gefährlich. Ist es das wirklich?

Als Viel-Reisende müssen wir uns so immer wieder auch mit ethischen Fragen auseinander setzen. Spätestens seit unserer Iran-Reise wissen wir jedoch, wie wichtig es ist, sich selbst ein Bild von Ländern und Orten zu machen. Wir sind dabei auch der festen Überzeugung, dass es an unserer inneren Einstellung liegt, ob wir das Gute oder das Schlechte in den Menschen sehen. Das ist etwas, was uns auf unseren Reisen immer wieder bewusst wird.

Eine Gruppe von jungen Schülern in Shiraz, Iran (2017)
nette Begrüßung am Inle See in Myanmar (2015)

Egal an welche Orte unsere Reisen führen: wir machen uns unser eigenes Bild. Wir versuchen, so vorurteilsfrei wie nur möglich Länder zu besuchen. Und wir wollen unsere Welt und ihre Geschichte kennen lernen: Die schönen und guten, aber auch die grausamen und schlechten Facetten. Vor allem wollen wir dabei kein Land auslassen.

unterwegs auf Albaniens Straßen (2016)

„Lost Places“

Jeder Ort der Erde hat etwas zu erzählen. Und wir wollen diese Geschichten hören! Dies bedeutet auch, sogenannte „Lost Places“ zu besichtigen: Plätze mit einer düsteren, oft auch grausamen Vergangenheit. Das Besuchen dieser Orte wird „Dark Tourism“ genannt – dunkler Tourismus. Es geht um Orte, die eigentlich keiner besuchen will, man sie aber doch besucht: sogenannte „Lost Places“, Kriegsschauplätze oder Plätze, an denen sich Katastrophen ereignet haben: Das Konzentrationslager Auschwitz, Tschernobyl, ein Voodoo-Markt, oder eine Kirche, die aus Menschenknochen gebaut wurde, sind nur Beispiele davon.

Konzentrationslager Auschwitz, Polen (2015)

Wir sind der Meinung, dass auch diese Orte besucht werden sollen/müssen. Auch wenn die Vergangenheit oft grausam ist. Auch wenn wir vieles oft nicht verstehen, oder bestimmten Ansichten oder Betrachtungsweisen nicht zustimmen. Der Besuch von derart bedeutenden historischen Plätzen kann nämlich das Bewusstsein für die Geschichte enorm schärfen.

Knochenkirche in Sedlec nahe Kutná Hora, Tschechien (2018)

Nicht alles war immer wunderbar und schön im Laufe der Geschichte. Dunkler Tourismus ist daher keineswegs unmoralisch oder respektlos. Viel mehr finden wir, dass man dadurch einen Ort als großes Ganzes sieht. Hast du selbst erst einmal ein ehemaliges Konzentrationslager wie Auschwitz besucht, es mit deinen eigenen Augen gesehen, und Geschichten mit deinen eigenen Ohren gehört, wird es dich prägen. Es wird dein Bewusstsein und dein Verständnis viel mehr beeinflussen, als es Geschichtsbücher je könnten.

Konzentrationslager Auschwitz, Polen (2015)
Spuren vergangener Demonstrationen in
Skopje, Nord-Mazedonien (2016)
Stundturm in der Altstadt von
Sighisoara, Rumänien (2019)
Brücke „Mes“ nahe Shkodra in Albanien (2016)

Es ist leicht zu sagen „Albanien? So ein armes Land, was gibt es da schon zu sehen!“ oder „Palästina? Seid ihr verrückt?“. Es ist leicht, vor Problemen die Augen zu schließen, wenn sie weit weg sind und man sich nicht damit beschäftigt. Wenn man aber plötzlich selbst damit in Berührung kommt, kann man diverse Missstände viel schwerer leugnen und Vorurteile leichter ablegen. Reisen verändert. Nicht nur einen selbst, sondern vor allem die Sicht auf die Welt, mit all ihren Fehlern.

Mostar, Bosnien (2016)

Noch mehr Fotos…

Diese Beiträge könnten dich auch interessieren…

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert